Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit

Argon-Verlag

Die bekannte YouTuberin, Chemikerin und Wissenschaftsjournalistin
Dr. Mai Thi Nguyen-Kim klärt Fake News, Halbwahrheiten und Verschwörungsmythen auf.
Sie zeigt den Unterschied zwischen Fakten und Meinungen auf und benennt, wo die Fakten aufhören und wissenschaftliche Belege fehlen – wo wir uns also völlig zu Recht gegenseitig persönliche Meinungen an den Kopf werfen dürfen.

Themen des Buches und Beispiele, an denen wissenschaftliches Denken erklärt wird, sind: Die Legalisierung von Drogen, Videospiele, Gewalt, Gender Pay Gap, systemrelevante Berufe, Care-Arbeit, Lohngerechtigkeit, Big Pharma vs. Alternative Medizin, Homöopathie, klinische Studien, Impfpflicht, die Erblichkeit von Intelligenz, Gene vs. Umwelt, männliche und weibliche Gehirne, Tierversuche und von Corona bis Klimawandel: Wie politisch darf Wissenschaft sein?

Manchmal ist zu spüren, wie sehr sie in ihrer wissenschaftlichen Sprache zu Hause ist, wie ihr Englische oder Fachbegriffe so vertraut sind, dass sie ihr beim Schreiben und Sprechen (Hörbuch) nicht auffallen. Hilfreich sind jedoch ihre statistischen Wortklärungen und Erläuterungen in Exkursen.



The Circle

The Circle stellt vor, wie subtil immer mehr soziale Kontrolle von Firmen freiwillig von Bürgern installiert wird, um Straftaten vorzubeugen oder um Vorsorge zu treffen. Über kleine Kameras und die Präsenz im Internet entsteht umfassende Transparenz, immer mehr beobachtete Teilhabe an Leben anderer, immer mehr Überwachung und am Ende mit an Drohnen installierten Kameras die Jagd auf vermeidliche Übeltäter oder solche, die sich dem System entziehen wollen.

Der Roman wurde mit Emma Watson und Tom Hanks verfilmt.

Mir hat´s gefallen, da durchaus realistisch modelliert wird, was bestimmte Entwicklungen entstehen könnten. Schon jetzt sind an und in Häusern, an Straßen und an bestimmten Plätzen Verkehrs- und Überwachungskameras angebracht. Sie sind durchaus hilfreich bei der Verbrechensaufklärung, aber eben auch problematisch, wie in China mit dem Sozialkreditsystem zu beobachten ist.

Das egoistische Gen

Wer Evolution verstehen möchte, greift hier zum richtigen Text.
In Fortführung kultureller Entwicklung ist dazu auf das Buch „Die Macht der Meme“ hinzuweisen.

Richard Dawkins beschreibt die Prinzipien der Evolution.
Gene sind die Grundinformationen in Zellen, die für die Entwicklung von Eigenschaften eines Individuums notwendig sind – auch wenn diese Eigenschaften sich letztlich erst unter bestimmten Umgebungsbedingungen ausprägen – oder eben auch nicht. Die genetischen Baupläne werden von Generation zu Generation weitergegeben, aber eben auch aufgrund der Lebensumstände und durch Mutationen immer weiter modifiziert. Dabei ist Dawkins´ These, dass es Genen ganz egoistisch darum geht, sich selbst zu erhalten. (Natürlich ist eine derartige bewusste Motivation also solche nicht vorhanden; und dennoch zeigt sich dieses Ergebnis als das wahrscheinlichste unter den sinnvoll möglichen.) Denn alle biologischen Organismen dienen vor allem dem Überleben und der Unsterblichkeit der Erbanlagen und sind letztlich nur die „Einweg-Behälter“ der „egoistischen“ Gene.
Dennoch sind wir Menschen unserem Gen-Schicksal nicht hilflos ausgeliefert. Nach Dawkins Meinung sind wir nämlich die einzige Spezies mit der Chance, gegen ihr genetisches Schicksal anzukämpfen.

Anfänge

Auch hier zeigt sich wieder, wie sich bestimmte Meme, also Erzählweisen, z.B. im Geschichtsunterricht, verbreitet werden, die sich aber aus anderer Perspektive ganz anders darstellen. Es gibt Interessen, …

David Graeber, ein bedeutender Anthropologe unserer Zeit, und David Wengrow, einer der führenden Archäologen, betrachten Menschheitsgeschichte neu, indem sie unterschiedliche Formen des Zusammenlebens von Menschen in verschiedenen Weltregionen betrachten. Die bisher gängige Erzählart, die landwirtschaftliche Revolution von 10-12.000 Jahren habe eine zwangsläufige Entwicklung zu Städten und Staaten eingeleitet, erscheint mit ihren Befunden fraglich.
Auch die vorwiegend aus europäischer Sicht geschilderte Menschheitsgeschichte wird in Frage gestellt. Insbesondere zeigen sie auf, wie stark die indigene Perspektive das westliche Denken, insbesondere die Gedanken der Aufklärung, beeinflusst hat.
Es gibt und gab Formen sozialer Organisation in denen Freiheit, Wissen und Glück anders gelebt wurde und möglich ist, als in hierarchisch, göttlich gegebener Denkart.
Es lohnt, für eine andere, lebendigere Zukunft der Menschheit einzutreten, neue Perspektiven in den Blick zu nehmen und die durch unser Handeln zu verändern.

Mir scheint es sinnvoll „auf mehren Hochzeiten zu tanzen“, sich für vielerlei Fachrichtungen zu interessieren, um über den Tellerrand hinaus blicken zu können, um sich nicht von „der einen Wahrheit“ blenden zu lassen.


Im Grunde gut

Sind Menschen im Grunde schlecht oder gut?
Rutger Bregmann kann schlüssig zeigen: Menschen sind „im Grunde gut“, selbst wenn sie schreckliche Dinge tun.
Die gängige Fassadentheorie, der Mensch sei schlecht – wie vom englischen Philosophen Thomas Hobbes oder dem Italiener Niccolò Machiavelli behauptet oder von Psychologen wie Philip Zimbardo aus Experimenten abgeleitet – wird durch vielerlei wissenschaftliche Befunde deutlich widerlegt.
Mir persönlich haben die Argumente wissenschaftlicher Forschung und die Belege, wie früher – ideologisch bedingt – Studien manipuliert wurden oder philosophischer Ideen als theoretische Konstrukte – ohne empirische Befunde – entworfen wurden, eingeleuchtet.
Vor allem wird mit diesem Text gründlich mit einem falschen Menschenbild aufgeräumt, das Ängste befeuert und damit Argumente für Unterdrückung lieferte. Dazu betrachtet Bregman geschichtliche Lebensformen – in frühen und modernen Kulturen – und leitet die Entwicklung der Menschenbilder her, so dass ein schlüssiges Erklärungsangebot entsteht.


Die Macht der Meme

Der britische Biologe Richard Dawkins hatte 1976 in seinem Buch The Selfish Gene = Das egoistische Gen die Prinzipien der Evolutionsbiologie beschrieben.
Susan Blackmore wendet diese Prinzipien auf die Evolution von Worten und damit auf Kultur und unsere Bilder von der Welt (Geist) an.
Worte haben, da sich lebendige Sprache immer weiter entwickelt, unterschiedliche Halbwertszeiten, so dass sich die Entwicklung von Sprachmustern und damit Denkfiguren und Weltverständnis aufzeigen lassen.

Welche Worte und Narrative (Erzählungen) z.B. über die Medien massenhaft verbreitet werden, sich in den Alltagsgebrauch einfügen, hat großen Einfluss darauf, wie Menschen die Welt sehen. Daher sind des zuerst die Rundfunk- und Fernsehanstalten, die Zeitungen und das Internet, das in autoritären Staaten unter Kontrolle gebracht wird. Aber auch in demokratischen Staaten werden aktuell Wortbedeutungen durch Rechtspopulisten umgedeutet oder durch Fake-News oder Verschwörungstheorien Verunsicherungen geschaffen, so dass für viele nicht mehr klar ist, wem man noch glauben kann, was die gesicherte Basis von Wissen ist.
Insofern halte ich es für wichtig, sich darüber klar zu werden, nach welchen Prinzipien bestimmte Sichtweisen sich mit welcher Wahrscheinlichkeit durchsetzen und welche Bedingungen dazu erforderlich sind.


Keine Posaunen vor Jericho – Archäologie und Bibel

Das Buch der Bücher, wie es so schön heißt, in seinen Anfängen vermutlich auf ca. 700 v.Chr. zu datieren, ist vielfach von Sprache zu Sprache, immer mit den aktuell verständlichen Sprachbezügen für die Vermittlung der Inhalte übersetzt worden. Ein beharren auf das Wort, als Wort Gottes, unumstößlich, unveränderlich, ist also höchst fragwürdig, da es sich beim Wortverständnis immer um Auslegungen handelt.

Es ist lang her, dass ich dieses Buch gelesen habe, dennoch ist es mir lebendig in Erinnerung geblieben.
Kaum ein Landstrich ist von Archäologen so gründlich umgegraben worden, wie der Nahe Osten.
Dabei zeigte sich, dass so manche Geschichte in der Bibel nicht den auffindbaren Fakten entspricht.
Die Autoren Israel Finkelstein und Neil A. Silberman zeichnen ein historisches, nachweisbares Geschichtsbild der Region Naher Osten und wie sich das Buch der Bücher aus alten mündlich weitergegebenen Überlieferungen entwickelt hat.

Ich fand es erhellend, da nicht nur psychologische Erkenntnisse über Wahrnehmung und Erinnerung, sondern auch die Archäologen den Glauben an das Wort, im Sinne eines Beharrens auf den wörtliche zu glaubenden Inhalt der Bibel, ad absurdum führen.

Moderne archäologische Befunde machen z.B. bei der von einer theologischen Universität ausgegrabenen großen Stadt der Bronzezeit nördlich vom Toten Meer, die für Sodom gehalten wird, eine Luftexplosion eines Meteoriten wahrscheinlich. Dass derartiges damals für eine Strafe Gottes, eine Himmelsbotschaft, gehalten wurde, ist nachvollziehbar, aber eben nur aus den Verständnismöglichkeiten der Zeit sinnvoll.

Auch Adam hatte eine Mutter

Zweifeln, in Frage stellen, selbst nachforschen oder zumindest vielfältiges Betrachten von Informationen scheint mir heutzutage immer wichtiger.
Früher gab es nur wenige Informationsquellen und meist war der Radius der eigenen Welterfahrung begrenzt.
Heute werden wir mit Informationen eher zugemüllt, so dass die Gefahr, in der eigenen Glaubensblase gefangen zu bleiben, groß ist. Wissenschaftliches Vorgehen, um verlässlichen Boden unter die Füße zu bekommen, bedeutet Hypothesen aufstellen, Prüfen und, was sich für tragfähig erweist, beibehalten, bis zum Nachweis einer Ausnahme, die dann neue Klärungen erfordert.

Auch dieses Buch habe ich vor langer Zeit gelesen; dennoch blieb der Titel in Erinnerung – was nicht unbedingt oft passiert.
Paul Hengge (1930-2015) beschäftigt sich hier mit einer alten Überlieferung in den Büchern des Propheten Moses und stellt im übertragenen Sinne die Frage nach Henne oder Ei – was war zuerst – jedenfalls war immer zuvor schon etwas da, aus dem sich das Folgende entwickelt hat.
Adam (hebräisch für „Mensch“) gilt als biblischer Stammvater von Adam und Eva, dem ersten Menschenpaar. Wenn Adam aber Mensch bedeutet, wird die Geschichte von den Stammeltern aller Menschen obskur – lässt sich maximal sinnbildlich, aber nicht wörtlich nehmen. Archäologische Befunde haben zudem ja mittlerweile recht schlüssig nachweisen können, dass es vielerlei Entwicklungen von Menschen(arten) gab, die zum Teil zeitgleich auf der Erde lebten; sich sogar gepaart haben, so dass man deren Erbgut heute noch in den aktuell lebenden nachweisen kann.

Aberglauben, Unwissen, Machtgier im Mittelalter

Frank Schätzing lässt den Roman in seiner Heimatstadt Köln spielen, allerdings im Jahr 1260.
Jacop der Fuchs, ein liebenswerter Dieb und Herumtreiber, wird unfreiwillig Zeuge eines Mordes. Jeder, dem Jacop diese Geschichte erzählt, ist kurze Zeit später tot. Kann er den Täter entlarven, bevor auch er zu seinem Opfer wird …
Unter diesem Füllstoff versteckt, setzt sich der Roman kritisch mit Machtpolitik, Kirche und insbesondere mit den Gedanken des französischen Philosophen Petrus Abaelardus (1079-1142) auseinander, einem Vorläufer der Aufklärung (die um das Jahr 1700 begann).

Der Historien-Krimi ist leichte Kost, die hintergründig eingestreuten Gedanken finde ich jedoch überlegenswert.

Blackout

Allenthalben wird in den Nachrichten des Jahres 2022 und 2023 vom Blackout – einem Stromausfall in Deutschland – phantasiert, gewarnt und dementiert, da bei der Infrastruktur des Stromnetzes gar nicht möglich.

Marc Elsberg beschreibt auf 800 Seiten in einem als Thriller aufgemachten Roman über einen von Hackern ausgelösten Stromausfall, einen Blackout, in ganz Europa.
Wie verhalten sich da die Menschen – anfangs und wenn längere Zeit nichts mehr geht, keine Heizung, keine Melkanlagen, keine Tankstelle usw. und wie ist es, wenn der Strom längere Zeit weg bleibt?
Auch hier wird die gängige Fassadentheorie, der Mensch sei schlecht – wie vom englischen Philosophen Thomas Hobbes oder dem Italiener Niccolò Machiavelli behauptet, bedient. Angeblich gelten bald die Gesetze des Wilden Westens, jeder ist sich der Nächste, nachdem zu Beginn Hilfsbereitschaft vorherrschte. Die Praxis z.B. aktuell in der Ukraine jedoch zeigt, dass das Chaos ausbleibt und die Menschen sich auch langfristig gegenseitig unterstützen.
Dennoch fand ich das Buch spannend, die realen Probleme, an die man so gar nicht denkt, erhellend und das aufgezeigte Weltbild erschreckend.
Zudem zeigt das Buch auf, dass, je weiter die Digitalisierung voranschreitet, die Systeme und die Gesellschaft um so anfälliger für gezielte Störungen werden. Das ist heute schon Fakt und kostet die Volkswirtschaft jährlich Unsummen.

Der englischer Mathematiker, Staatstheoretiker und Philosoph Thomas Hobbes (1588 – 1679) würde sich freuen, sein negatives Menschenbild reproduziert zu sehen, Er schrieb sein Hauptwerk >Leviathan< vor dem Hintergrund dem Englischen Bürgerkrieges (1642–1649) und phantasierte sich einen Naturzustand der Menschen, in dem jeder über jeden herfallen würde („homo homini lupus = der Mensch ist dem Menschen ein Wolf“), wenn ihm das dünne Laken der Zivilisation = des funktionierenden Staates entzogen würde.
Der Historiker Rutger Bregmann konnte das glaubwürdig widerlegen.